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Ein Statement von Günter U. Beier

„Motiv und Ausgangspunkt meiner Malerei sind belanglose, unscheinbare Billigprodukte aus der Warenwelt. Eine frisch gekaufte, nicht geöffnete Tüte mit Luftballons, ein zufällig auf dem Balkon gefundenes Saattütchen mit Asternkeimlingen, das „scheinbare“ Durcheinander von Farben und Formen in einer Tüte mit Süßigkeiten dienen als Basis einer realistischen Malerei. Aber die Zufälligkeit bei der Auswahl der Motive ist vordergründig. In den für den Verbraucher nach Farbigkeit aufgefächerten Ballons ist ein Ordnungsprinzip ablesbar, im Chaos der kleinen Welt der Haribo-Tüte eine Gestaltung. Dabei greife ich bewusst belanglose Motive auf, um den Betrachter nicht in eine intellektuelle, belehrende oder informative Auseinandersetzung zu führen. Im täglichen Gebrauch an ihren Zweck gebunden enthalten sie eine Ästhetik, die durch die malerische Überhöhung und Vergrößerung sichtbar wird. Das Warenangebot wird zum malerischen Anlass, in dem sich die Malerei selbst genügt. Ins Zentrum gerückt wird der Gegenstand zum Erleben der Farbe in reiner Form.“

Ein Bericht von Dr. Johann-Peter Regelmann

Das künstlerische Werk von Günter Beier gliedert sich bei schulmäßiger Betrachtung und auf den ersten Blick in anscheinend sehr unterschiedliche „Fachbereiche“.

Seine Malerei auf der einen Seite ist eher klassisch, realistisch, konkret, gegenständlich und findet beinahe ausschließlich als Tafelbild mit Öl auf Leinen in rechteckigen Formaten unterschiedlicher Größe statt. Und dann, völlig anders und unerwartet, bemalt er etwa in seiner Serie „Many are called …“ Holzkästchen sehr abstrakt mit Acrylfarben. Die Kästchen sind quadratischflächig und relativ flach, sie sind sehr leicht und haben keinen Deckel, damit sie – das wäre ein möglicher Grund- einfach montiert oder gehängt werden können.
Auf der anderen Seite stehen Objekte unterschiedlichster Provenienz, die kaum unter einen Hut zu bringen sind.

(Ausgangs)Materialien wie Stacheldraht, Putzlappen, Schwämme und Schwammtücher, Wattestäbchen, Pappnaben von Toilettenpapierrollen, Bretter/Holzreste, Kunststoffe und Folien sowie Readymades wie Badewannen, Glasplatten, Seile, Kupferrohre, Handtücher, Leuchten und Batterien: all dies und noch mehr wird unter Günter Beiers Ideen und Händen zu Kunstobjekten oder geht als tragender Bestandteil in seine Kunstwerke ein. Aber warum ist das Kunst? Darauf müsste der schulmäßige Betrachter sich eine ganze Reihe von Antworten erarbeiten oder ausdenken. Bei näherer und eingehender Betrachtung ahnt man dann aber bald, dass Beiers ganzes Können doch eher als eines gesehen werden muss, welches sich auf eine zunächst noch undurchsichtige Weise aufzufächern scheint, dass es darin einen inneren Zusammenhang gibt, einem übergreifenden Ganzen gleich, das man erst auf den zweiten Blick spürt und erahnt und auch nur durch tiefer gehende Analyse verständlich und nachvollziehbar machen kann.

Untersuchen wir seine Werke also im Kontext. Seine realistisch-gegenständliche Tafelmalerei bildet flächig, das bedeutet zweidimensional und ohne jeden ersichtlichen Bezug zur eventuell gegebenen Räumlichkeit der als Vorlage dienenden Bildobjekte, Alltagsgegenstände und Kinderspielzeuge ab. Von diesen Gegenständen werden jedoch oft, etwa in sämtlichen Arbeiten zum Oberthema „Süßwaren und Genussmittel“, nur Ausschnitte gezeigt, wie durch eine technisch bedingte und bewusst herbeigeführte Einschränkung des Blickwinkels. Wenn er eingesetzt wird, wird dieser Zoom-Effekt seiner Objektwahl und Darstellungsweise noch dadurch verstärkt, dass Günter Beier bei allem Realismus den realen Kontext oder die lebensweltliche Einbindung der für seine Bilder ausgewählten Gegenstände ausklammert. Ausgangspunkt ist in einem Falle zwar ein in einem Ladengeschäft gefundenes Plastiktütchen mit „20 Luftballons“, sein Bild zeigt aber nur den Inhalt des Tütchens, nicht die Tüte selbst. Auch ein erweiterter realistischer Hintergrund wird nicht als Bildhintergrund gewählt, etwa ein Ausschnitt aus den das Tütchen umgebenden Auslagen oder ähnliches. Von Verismus also keine Spur, und selbst der Realismus hätte bald seine Grenzen als künstlerisches Konzept erreicht, wenn er Konzept wäre.

Dem entsprechend ist es nur folgerichtig, wenn Günter Beier in seiner Serie „Many are called …“ den Schritt in die Tiefe macht und dreidimensionale Holzkästen bemalt. Die Bemalungen erinnern den Betrachter (ein wenig nach Art so genannter „Rohrschachs“) assoziativ an konkrete Dinge, die dann allerdings nur schwierig zu benennen sind. Ihre Kompositionen beinhalten figurative ebenso wie ornamentale Elemente, die jedoch, wie in der klassischen Abstraktion, dann doch nicht wirklich einen Realtitätsbezug herstellen. Formale Anklänge an Abbildungen bestimmter Phasen biologischer Zellteilungen, einer Erdbeere, eines Hemdes oder an den Kopf einer Comic-Figur etwa sind auszumachen und lassen sich sicherlich mit einer eingehenden Bildbeschreibung deutlicher machen – aber mehr auch nicht, und das bereits unter Aufbietung der ganzen Phantasie. Viel wichtiger ist hier aber, dass die Formate dieser Serie 33 x 33 x 10 cm betragen. An eine Wand montiert, hängen die bemalten Flächen mit deutlichem Abstand vor ihrem Hintergrund im Raum. Die Aufmalungen sind in einen farbigen Bild-Hintergrund eingebettet, der den Kasten als Ganzen klar vom Montagehintergrund abhebt, obwohl er ihn räumlich damit, wie auch durch die weißen Seitenflächen, vermittelt. Die eigentlichen Bilder, für sich genommen, schweben demnach, gleichgültig, in welcher Positionierung man sie auch immer betrachtet. Sie schweben über einem geheimnisvoll bleibenden Hohl-Raum, in den hinein wir nicht blicken können, obwohl er auf der bemalten gegenüber liegenden Fläche nicht geschlossen ist.

Die aufgemalten abstrakten Motive sind aber trotz ihrer Flächigkeit in die dritte Dimension überhöht, wodurch sie einen Anhaltspunkt für eine Wahrnehmung mit Tiefenwirkung anbieten, der den Betrachter zum Nachdenken anregen kann.

Noch stärker objektartig und vor allem vollständig (abgeschlossen muten die über 30 formal unabhängigen Einzelarbeiten aus Günter Beiers Werkgruppe „Spontex“ an. Es sind auf je nur einer Seite von Holzkuben mit den Maßen 20 x 20 x 20 cm durch Scherenschnitt bearbeitete und dann in mindestens zwei Schichten übereinander geklebte Farbträger, die etwas Konkretes darstellen. Spontex ist der Markenname eines Schwammtuchs, das für die unterschiedlichsten Aufgaben im Haushalt entwickelt wurde. Spontex-Schwammtücher gibt es zwar nur in vier Farben, trotzdem lassen sich Ausschnitte von Realität farblich oder wenigstens allgemein verständlich farbsymbolisch wiedergeben oder andeuten. Will Beier nun beispielsweise einen Teich in Landschaft zeigen, so steht ein blaues Spontex-Tuch für das Wasser, ein grünes für die den Teich umgebende Wiese, und weiß vor hellblau ist dann der bewölkte Himmel.

Abstraktere Farb-Form-Spiele innerhalb dieser Werkreihe sind nicht auf den ersten Blick als realitätsbezogen zu erkennen, führen den Geist des Betrachters jedoch über ihre Titel zum Objekt, zur Vorgabe. Stellt man die unabhängigen und augenscheinlich verspielten Einzelstücke nun zu einer Reihe, zu einem Turm, zu einem Block zusammen, so wird ein erzählerischer Rahmen ersichtlich und nachvollziehbar, sogar in unterschiedlicher Inhaltlichkeit, je nachdem, wie man die Kuben zusammenstellt oder ordnet. Durch diesen Schritt ist der Weg vom flächigen und gegebenenfalls räumlich überhöhten Tafelbild eher klassischer Provenienz hin zur nicht-sakralen Raum und Objektkunst der neueren Zeit beschritten.

Nachdem Günter Beier in einem ersten Befreiungsschritt aus der Fläche heraus und in den Raum hinein getreten ist, stellt sich ihm nun konsequenter Weise die Frage nach dem Rauminhalt. Machen wir Wände jedoch durchlässig für unsere „Einsicht“, welche Funktion haben sie dann überhaupt (noch)? Hier bekommen jene dreidimensionalen „Objekte“ Günter Beiers, die keine Holzkästen und -kuben sind, nun eine ganz neue Wirkung und Bedeutung. Die Materialwahl der Objektumgrenzung hebt den räumlichen Aspekt dadurch hervor, dass sie auf durchsichtige, dabei eingefärbte und bei aller Stabilität gut form- und verschweißbare Kunststofffolie fiel. Sie gibt einen nur wenig getrübten Blick auf Interieurs frei. Was hier Interieur genannt wird, sind für Günter Beier ge- und verschlossene autarke Raumeinheiten. Ob Kirche, Kino oder Küche, die wichtigsten funktionalen Elemente dieser „Funktionsräume“ findet man problemlos in diesen Objekten wieder. 1^ „Das gelbe Zimmer“ z. B. sorgt eine außen angebrachte Batterie dafür, dass die Leselampe über dem Ohrensessel auch wirklich leuchtet. Eine (Flachbatterie-) Taschenlampe beleuchtet im „Movie“ ein Diapositiv, das an der Stirnwand des Interieurs angebracht ist, also dort, wo sich im Original-Kino die Leinwand befinden würde.

Wir betrachten also dies alles, und es mutet sehr realistisch an. Aber wir sehen es durch eine getönte Brille. Deren spezielle Tönung ist zunächst nicht weiter interessant. Wichtig ist jedoch, dass die Tönung wie eine leichte Sehbehinderung wahrgenommen wird, die wir spontan zu beheben versuchen. Dadurch begeben wir uns automatisch in die Rolle des Voyeurs. Wir verlassen die Wahrnehmungsposition der beschreibenden Außen-Aufsicht zugunsten einer solchen der Iispektiven, erläuternden Innen-Hineinsicht.

Die Rolle eines Voyeurs spielen die meisten Menschen, die ihr Explorationsverhalten noch nicht ganz verlernt haben oder schlicht und menschlich neugierig sind, eigentlich ganz gerne (einmal). Aber wenn sie das tun, dann wollen sie es doch bitte heimlich tun, aus dem Verborgenen heraus, dabei im Verborgenen bleibend, unentdeckt. Sich beim Voyeurismus erwischen zu lassen, erzeugt Schamgefühle, ob sie nun berechtigt sind oder nicht. Der Voyeur betritt wenigstens mit Blicken uneingeladen ein Interieur und weiß das auch. Damit kommt er vor sich selbst im Normalfall klar, nicht jedoch unter den Augen Dritter. Er stört Intimität, die durch undurchsichtige Wände gewahrt und geschützt geblieben wäre.

Verborgenen Teils unseres Lebens seine Ergänzung, die die anderen Menschen als Intimsphäre für sich beanspruchen und auch brauchen. Wer „Big Brother“ spielen möchte, stößt heutzutage auf kaum ausgeprägten Widerstand. Winston Smith war schon „1984″ ein Sonderling und Auslaufmodell. In diese zeitgenössische aktuelle Realität trägt Günter Beier das Virus der Kunst, ihre künstlerische Darstellung und damit ideologische Entlarvung. Obwohl er sicher oder möglicherweise auch seine eigenen voyeuristischen Züge dadurch spiegelt, zeigt er genau damit zugleich einen möglichen Weg der Reflexion eigener Probleme und ihrer Lösung. Als Maler repräsentiert Günter Beier mehrere Sparten von Malerei, die er jedoch wie selbstverständlich vereinigt. Einerseits ist er, wie bereits erwähnt, in ganz klassischer Manier der gegenständlichen Malerei verpflichtet, dann der realistischen Variante gegenständlicher Malerei, und zudem ist er ein nahezu veristischer Farbenmaler.

Unklassisch ist im Gegensatz dazu, und das macht ihn zu einem jungen zeitgenössischen Maler, dass er seine Objektwahl in die Sphäre der Belanglosigkeit und des Banalen verlegt. Wenn er je als Historienmaler bezeichnet werden würde, könnte dies nur in dem ausschließlichen Sinne gerechtfertigt werden, dass er eine historisch ganz konkret belegbare ästhetische Neuorientierung innerhalb der Kunst nach 1960 und insbesondere nach dem viel beschrienen „Tod bzw. Ende der Malerei“ um 1980 fortführt und als Ergebnis einer historischen Entwicklung für seine Arbeit reklamiert.

Seit dem Wegfall des klassischen Bildobjekt-Kanons und nach der Entdeckung, dass der Computer, ob nur programmiert oder sogar gesteuert, vieles problemlos kann, was einen Maler viele Wochen Schweiß kosten würde, waren nicht nur neue, sondern ganz andere Wege der Malerei zu beschreiten. Es hatten sich durch die veränderte Situation der Malerei als kultureller Institution und etablierter Kunstform dieser neue und andere Fragen gestellt, die immer sogleich mit der Frage nach ihrer Überlebensfähigkeit und Eigenständigkeit verknüpft waren. Die richtige Beantwortung dieser Fragen bedeutete in jedem ihrer Versuche dadurch allerdings zugleich auch eine Bejahung ihrer evolutionären Geworfenheit einerseits wie ihrer Autonomie andererseits.

Viele dieser Fragen wurden durch die Fotografie und ihre nicht erst in jüngster Zeit erweiterten technologischen Möglichkeiten gestellt. Erfunden mit dem Ziel, Wirklichkeit so wirklichkeitsgetreu wie nur irgend möglich wiederzugeben, ist Fotografie samt Entwicklung zu Film und Video einschließlich digitaler Vervollkommnung das bekannteste und geeignetste Dokumentationsmittel überhaupt. Tritt sie damit aber grundsätzlich in Konkurrenz zur Malerei? Ersetzt sie Malerei gar?

Spätestens im Hyperrealismus etwa eines Jeff Koons, aber sicherlich bereits schon im Fotorealismus der 70er und 80er Jahre – als Beispiel diene Jan Peter Tripp – hat die Malerei bewiesen, dass sie in der Lage ist, (meistens Tafel-Bilder) hervorzubringen, die von einer Fotografie desselben abgebildeten Gegenstandes kaum zu unterscheiden sind. Es hat im Umfeld dieses Genres oftmals verblüffende Verwechslungen und Irrungen gegeben. Man muss schon sehr genau hinsehen und sehr nahe an diese Werke herangehen, um sie eindeutig als Malerei zu verifizieren. Die Aufzählung der gewählten Materialien und Techniken allein erlaubt dies teilweise nicht.

Aber wie der Begriff Fotorealismus bereits aussagt, tritt die Malerei damit nicht in Konkurrenz zur Fotografie. Denn bei allen Möglichkeiten der Fotografie: Ihre theoretische Begründung wie praktische Aufgabe und Verwirklichung war immer der Abbildungsprozess, die gebannte Spiegelung einer realen Situation, sei sie natürlich vorhanden oder ablaufend oder künstlich bzw. sogar künstlerisch gestellt. Sie sollte damit in eine Dimension vorstoßen, die der Malerei, gemäß ihrer eigenen Vorstellung von sich selbst, fremd war, die die Malerei als solche gar nicht erobern wollte. Dies gilt auch für realistische und veristische Malerei und alles Malen nach der Natur. Und diesen Traditionen in der Entwicklung von Malerei ist eben auch der so genannte Fotorealismus verpflichtet,

Er war, ist und wollte nie ein Ersatz für Fotografie sein und kann dies auch gar nicht. Die Malerei befindet sich also selbst hier immer noch in ihrem ureigensten Metier. Es wird mit klassischen Werkzeugen von Hand Pigment und Bindemittel auf einen geeigneten und handwerklich dem jeweils entsprechenden Ziel und Zweck gemäß vorbereiteten Träger aufgetragen. Dies alles – als Versuch einer Definition, einer Standortbestimmung, einer Replik auf eine historische Debatte – gibt es nicht bei Günter Beier und trifft deshalb nominell nicht auf ihn zu. Seine Bilder sind von vornherein eindeutig als (nicht fotorealistische) Malerei zu erkennen, die in sich selbst ruht. Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Medien lassen sie erst gar nicht aufkommen, sie suchen sie auch nicht. Mit Öl auf Leinen zeigt er die verschiedensten Bilder von Dingen, die im normalen Alltagsleben, dem sie entstammen und angehören, zwar auch als Dinge, die einfach da sind, angenommen werden, die jedoch einer nachvollziehbaren, offensichtlichen bzw. klassischen künstlerischen Motivwahl (wie z. B. Landschaft, Portrait) nicht entsprechen. Zu banal sind sie in ihrem Bedeutungsgehalt, zu unbedeutend für den alltäglichen Lebensprozess, zu beiläufig für die Befriedigung wichtiger Bedürfnisse, als dass man sich an ihnen in aufwändigen geistigen, ästhetischen und handwerklich-technischen Prozessen abarbeiten müsste. Selbst die innovativste Werbefotografie würde sich nicht auf die Komplexe oder Details einlassen, die Günter Beier auswählt: bunte Luftballons, bunte Magneten an der Kühlschranktür, das „Colorrado“ genannte Konfekt von Haribo, Popcorn, Plastik-Spielzeug-Schiffe, -Hubschrauber und Wasserpistolen.

Soviel zu den Warenwelt-Vorlagen für Günter Beiers Bilder und ihre vorästhetischen Bedeutungen. Nun tritt der Künstler auf den Plan. Er wählt diese belanglosen Dinge als Objekte aus und stellt sie damit in den Blickwinkeleines interessierten und gut vorgebildeten Fachmanns für Farben und Formen. Dem geht es in erster Linie um ein klares und Konturen schaffendes Figur-Grund-Prinzip. Hierbei ist der oft monochrome Grund nur Träger für die abgebildeten Gegenstände und hat keine weitere, eigenständige Bedeutung. Sodann bildet Beier gerne die Vorder- und Rückseite der Objekte in (mindestens) zwei verschiedenen Bildern ab, wodurch deren Belanglosigkeit noch unterstrichen wird. Warum macht er das? Lesen wir dazu zunächst sein eigenes Statement:

„Motiv und Ausgangspunkt meiner Malerei sind belanglose, unscheinbare Billigprodukte aus der Warenwelt. Eine frisch gekaufte, nicht geöffnete Tüte mit Luftballons, ein zufällig auf dem Balkon gefundenes Saattütchen mit Asternkeimlingen, das „scheinbare“ Durcheinander von Farben und Formen in einer Tüte mit Süßigkeiten dienen als Basis einer realistischen Malerei. Aber die Zufälligkeit bei der Auswahl der Motive ist vordergründig. In den für den Verbraucher nach Farbigkeit aufgefächerten Baiions ist ein Ordnungsprinzip ablesbar, im Chaos der kleinen Welt der Haribo-Tüte eine Gestaltung. Dabei greife ich bewusst belanglose Motive auf, um den Betrachter nicht in eine intellektuelle, belehrende oder informative Auseinandersetzung zu führen. Im täglichen Gebrauch an ihren Zweck gebunden enthalten sie eine Ästhetik, die durch die malerische Überhöhung und Vergrößerung sichtbar wird. Das Warenangebot wird zum malerischen Anlass, in dem sich die Malerei selbst genügt. Ins Zentrum gerückt wird der Gegenstand zum Erleben der Farbe in reiner Form“.

Dieses Statement ist eine erfrischende Autonomieerklärung der Malerei. Immer eingebettet in ein sozioökonomisches Umfeld, das man Lebenswelt nennen und dem man nicht entfliehen kann, kann sich Malerei doch und zwar nicht entgegen, sondern auf Grund ihrer Tradition ganz auf sich selbst beziehen. Und Günter Beier kann hier deutlich herausstellen, dass er durch das sich Einlassen auf eine „l’art pour l’arf‘-Position erst auf die Entdeckungsreise gehen und sich seine Welt der Motive erschließen konnte. Aber er geht auch einen Schritt weiter: Indem er durch malerische Überhöhung erst „das Sichtbare sichtbar macht“, lenkt er die Aufmerksamkeit auf sonst verborgen bleibende Strukturen, die seine Motive beinhalten. Aber man muss nicht danach suchen. Denn in erster Linie ist diese Malerei dazu da, die Sinne des Betrachters gefangen zu nehmen. Und der hat allein daran schon seinen Riesenspaß!

Dr. Johann-Peter Regelmann